Alles was ist
Die Sonderaustellung zum Thema „Nachhaltigkeit“ präsentiert Arbeiten, Entwürfe und Studien von Studenten der Muthesius Kunsthochschule Kiel. Studenten der Medienklasse/Freie Kunst sowie des Industriedesign setzen sich mit der Frage auseinander, wie wir in unserem Alltag mit Ressourcen, bspw. Elektrizität und Rohstoffen umgehen. Die Industriedesigner stellen konkrete Überlegungen unter der Themenüberschrift “unplugged” an. Ziel dabei ist es, keine Energie „aus der Steckdose“ zu verwenden. Dabei soll es nicht um Verzicht gehen, sondern ein Bewusstsein soll entstehen, das alltägliche Handlungen hinterfragt und analysiert.
Die Elektrifizierung, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann, hat unser Leben grundsätzlich verändert. Neben der Beleuchtung der Innen- und Außenräume brachte die Verwendung strombetriebener Maschinen eine große Erleichterung für den Alltag. Sie ermöglichte uns die Industrialisierung und ein enormes Wachstum bei der Produktion von Waren, bis zu dem Umfang, den wir heute kennen. Doch mittlerweile ist aus dem Segen auch eine große Herausforderung geworden, denn der Verbrauch von Strom setzt die Herstellung von Strom voraus. Wir wissen, dass die meisten Ressourcen, die dafür verwendet werden, endlich sind und müssen beobachten, dass Strom eine leicht verderbliche Ware ist: Er kann kaum gelagert werden – der Transport über weite Strecken ist nur mit Verlusten und unter großem Aufwand möglich.
Vor diesem Hintergrund entwickelten die Studenten des Industriedesign einfache und kluge Alternativen für den Alltag, die nebst Erklärung in der Ausstellung präsentiert werden. Von unterschiedlichen Beleuchtungsmodellen über die Idee einer Spülmaschine „unplugged“, dem Kühlen und Kochen oder Haare trocknen ohne Strom – die Themenvielfalt in der Ausstellung ist groß und regt zum Nachdenken und weiterentwickeln an.
Präsentiert werden die Arbeiten auf EURO-PALTETTEN, die dem Kreislauf des Mehrweggedankens deutlich aufzeigen und dadurch gleichsam ein Teil der Ausstellung sind.
Die freien Künste nähern sich der Thematik Nachhaltigkeit großräumig. Mittels der vielfältigen Möglichkeiten, wie bspw. Video- und Klaginstallationen hinterfragen die Studenten auf verschiedenen Ebenen die unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen zum Thema Nachhaltigkeit. Dadurch werden eindrucksvolle Ausblicke aufgezeigt, in denen wir unseren Alltag wiederfinden. Der Fokus liegt hier auf der Übersetzung in Bilder.
Was passiert, wenn junge Künstler sich zum Thema „Nachhaltigkeit“ Gedanken machen, ohne sich dabei auf gängige Definitionen des Begriffs zu stützen? Der Blickwinkel weitet sich und auch scheinbar Absurdes ist plötzlich zugelassen, sowohl in der Wahl der Mittel, wie auch in der inhaltlichen Fokussierung. Bereits seit vielen Jahren existiert im Internet ein Chat, indem sich über den Sinn und Nutzen, sowie die Umweltfreundlichkeit einer Kartoffelschälmaschine unterhalten wird. Die Kartoffelschälmaschine – ein solches Objekt lässt sich ein paar Meter weiter in der neugestalteten Dauerausstellungsfläche des Museums finden. Dabei handelt es sich aber nicht um einen nachhaltigen Umgang mit Ressourchen. Die Maschine benötigt Unmengen von Frischwasser, um wenige Kartoffeln zu schälen.
Das Minimuseum im Museum
Mit dem historischen Selbstbedienungsautomaten und seinen 27 Fächern nutzen die Studenten der Freien Kunst die Möglichkeit, sich dem Schlagwort Nachhaltigkeit auf unterschiedlichste Weise zu nähern. Was verbirgt sich in unserem heutigen Verständnis hinter diesem Begriff? Beispielsweise ist das Gedächtnis als Archiv ein Gut, das es in unserem Zeitalter nachhaltig zu bewahren gilt. Durch die permanente Verfügbarkeit des Internets lassen wir uns nur allzu gern dazu verleiten, Nicht-gewusstes schnell mal zu „googeln“ und Wikipedia zu Rate zu ziehen, anstatt es nachzuschlagen und uns der Anstrengung zu unterziehen, das Gesuchte innerlich nachzuvollziehen, es uns auf diesem Wege zu eigen zu machen und es uns zu merken. So verändert sich auch das mündliche Nacherzählen von Geschichten oder der Gebrauch von Sprichwörtern. Beides ist einer permanenten Wandlung unterworfen. Die Arbeit LIEBERHABERSTÜCK fragt: wo ist der Sinn eines Buches, das seines eigentlichen Sinnes beraubt ist und hinter dem verschlossenen Türchen eines „Selbstbedienungsautomaten“ zu finden ist?
Aber auch der Umgang mit Ressourcen und deren Selbstbedienung, Sinnhaftigkeit und Nutzen einer Produktion, Wertzuschreibung und die einzelne Wahrnehmung von Materialien sind Themen, die es in den Arbeiten der Studenten zu entdecken gilt. So zieht die Installation FUNNY FRISCH den Blick des Besuchers direkt in eine leere Chipstüte. Was man sieht, erinnert an eine schimmernde, vielleicht etwas futuristische, leere Landschaft. Offensichtlich hat sich hier schon jemand bedient. Zurückgeblieben ist jediglich die Verpackung – der Müll. Auch isst man Chips oft unbewusst – greift immer wieder in die Tüte, und plötzlich: was, wirklich schon alles gegessen?
Was verbirgt sich hinter dem QR-Code HOW TO FIT IN, der SENSATION oder dem PIN CODE – 27 Automatenfächer und die in die Dauerausstellung integrierten Arbeiten gilt es zu entdecken.
Die Ausstellung ALLES WAS IST wird bis zum 30. März im Industriemuseum während den Öffnungszeiten zu sehen sein. Das Minimuseum im Selbstbedienungsautomaten bis voraussichtlich Februar 2015.