Objekt des Monats | Cajun-Akkordeon von Franz Hell
von Anna-Lisa De Marinis
Datierung: Frühes 20. Jahrhundert
Material: Holz, Metall, Kunststoff, Leder, Pappe
Maße: 34,5cm x 33cm x 18cm
Herstellungsort: Deutschland
Standort: Zurzeit in der Sonderausstellung ,,773 Schritte durch die Zeit – Königstraße Elmshorn“ im 2. Obergeschoss
Anders als heute war bis in die 1920er Jahre Musik noch kein ständiger Begleiter des Alltags. Wer Musik hören wollte, musste selbst spielen oder jemand anderem dabei zuhören. Hausmusik mit einer Vielfalt von Instrumenten war üblich. Die Instrumentenmacherfamilie Hell war über Jahrzehnte für erstklassige Musikinstrumente weit über Elmshorn hinaus bekannt und betrieb ihre Musikalienhandlung in der Königstraße 24. Heute zählen gut erhaltene Pianos, Harmonien sowie Violinen von Franz Hell zu begehrten Auktionsartikeln im Internet mit weltweiten Standortadressen. Der Schriftzug „Franz Hell Elmshorn“ auf dem verzierten Akkordeon verweist noch heute auf das Geschäft, wo einst vor rund 100 Jahren dieses Musikinstrument gekauft wurde. Franz Hell hat das Akkordeon nicht selbst gebaut, es war aber damals üblich, den Namen des Händlers auf dem Instrument anzubringen.
Ursprung im 19. Jahrhundert
Die Bezeichnung „Akkordeon“ hat ihren Ursprung bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der österreichische Klavier- und Orgelbauer Cyrill Demian meldete 1829 ein Patent auf den Begriff „Accordion“ an. Aufgrund dieser Patent-Anmeldung gilt Demian heute als Erfinder des modernen Akkordeons. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts brachten deutsche Einwanderer das Instrument mit nach Louisiana in den USA. Das Knopfakkordeon wurde in der so genannten „Cajun Country“ zu einem beliebten Instrument. Als „Cajun“ bezeichnet man Zugehörige der frankophonen Bevölkerungsgruppe im besagten Bundesstaat Louisiana, denen das Instrument seinen klangvollen Namen verdankt. Die Cajuns sind Nachfahren der im 18. Jahrhundert aus den Atlantikprovinzen vertriebenen akkadischen Franzosen.
Neben den Tasten des Akkordeons befindet sich eine der vielen Verzierungen, die das Instrument schmücken
An den prunkvollen Verzierungen des „Cajun“-Akkordeons lässt sich erkennen, dass es sich um ein Sondermodell handelt. Das vorliegende Akkordeon ist in diatonischer Bauweise konstruiert. Im Unterschied zu einem chromatischen Instrument ändert sich die Tonhöhe je nachdem, ob man das Akkordeon auseinanderzieht oder zusammenpresst. Ein chromatisches Instrument gibt unabhängig von der Bewegungsrichtung den gleichen Ton von sich.
Auch an den Seiten des Akkordeons ist der Name des Instrumentenbauers eingraviert
Die Musikalienhandlung Franz Hell
Das Musikgeschäft mit eigener Werkstatt wurde 1867 von Musikalienhändler Franz Hell gegründet. Ab 1893 ist die Musikalienhandlung Franz Hell in der Königstraße 24 nachweisbar. Sein Sohn Franz Friedrich Adolph Hell (1865-1940) führte das Geschäft fort. Er ist in den Elmshorner Meldeakten verzeichnet mit „Piano-Fabrikant“. Wie damals üblich erlernte wiederum dessen Sohn Franz Heinrich Adolf Hell (geb. 1896) ebenfalls den Beruf des Instrumentenmachers. Er absolvierte seine Ausbildung zum Geigenbaumeister bei Ernst Reinhold Schmidt in Markneukirchen im Vogtland – eine Region mit traditionsreicher Geigenbaukunst. Nach dem Ersten Weltkrieg zog er 1919 nach Norwegen und wanderte zwei Jahre später nach Chicago aus. Die vom ihm gebauten Geigen tragen seine Schutzmarke mit den Buchstaben „FHE“ für Franz Hell Elmshorn und „D.R.W.Z.No.55374“.
Während es den Sohn in die Ferne zog, fand sich für das Elmshorner Musikaliengeschäft anscheinend kein Nachfolger. Der letzte Eintrag für die Musikalienhandlung Franz Hell findet sich im Elmshorner Adressbuch von 1929.
Im Rahmen unserer aktuellen Sonderausstellung ,,773 Schritte durch die Zeit – Königstraße Elmshorn“ spendete Alfred Hofer, Akkordeonbauer und Seniorchef des Musikhaus Hofer, das Musikinstrument dem Industriemuseum Elmshorn. Musik-Hofer wurde 1956 von dem Akkordeonbauer Alfred Hofer am Alten Markt gegründet, vergrößerte sich bereits wenig später am Flamweg 5 und ist heute die einzige Musikfachhandlung in Elmshorn.
Die Musikalienhandlung in der Königstraße 24 (links)
Die beiden Knöpfe werden mit den Daumenballen betätigt. Sie dienen dem Tonlosen Luftholen- oder Ablassen beim Spielen.
Sonderausstellung ,,773 Schritte durch die Zeit – Königstraße Elmshorn“
aktuell im Industriemuseum
Möchten Sie das Cajun-Akkordeon einmal im Original betrachten?
In der Sonderausstellung „Königstraße Elmshorn“ erwartet Sie noch bis zum 2. Mai ein Blick in die Geschichte der Haupt-Einkaufsstraße in der Elmshorner Innenstadt. Über spannende Exponate aus der Sammlung des Industriemuseums und Leihgaben aus der Bevölkerung wird die Geschichte der Königstraße und deren (Weiter-)entwicklung im Laufe der Jahre in Bezug auf das Leben, Arbeiten und Wohnen beleuchtet.