Ein Kleidungsstück mit Geschichte – Das Objekt des Monats Februar 2021. Foto: IME.
Objekt des Monats | Wintermütze der Roten Armee
Modell: M1940 Uschanka
Datierung: 1940er Jahre
Material: Körperstoff, Fellimitat, Baumwolle
Maße: Ø: 21,5cm H: 13cm
Standort: Magazin
Spender: Carsten Petersen
Eine Mütze voll Geschichte
Wer sich entgegen der geltenden Empfehlungen Anfang Februar doch einmal aus dem Haus begeben musste, griff wohl nicht nur zur obligatorisch gewordenen Maske, sondern aufgrund der Minusgrade auch zu einer wärmenden Mütze. Zur Not wäre auch die Kopfbedeckung mit der Inventarnummer 2019-031 für diesen Zweck noch nutzbar. Und in Not befand sich auch Ernst Kröger aus Elmshorn, der ursprüngliche Besitzer des Kleidungsstücks.
Aus dem fernen Russland
Die unscheinbare, stark abgenutzte Mütze besteht aus einem einfachen, festen Wollstoff, der zur besseren Wärmeisolation mit einem Steppfutter ausgekleidet wurde. An beiden Seiten der Mütze sowie an der Stirnseite und am Hinterkopf sind Klappen aus Wollplüsch in den Mützenrand eingenäht, die entweder nach oben geschlagen und fixiert oder nach unten geklappt werden können, um einen zusätzlichen Schutz – insbesondere der Ohren – bei großer Kälte zu gewährleisten.
Dieser Mützentyp, genannt „Uschanka“ (von russisch ‚uschi‘, deutsch ‚Ohren‘), wurde während des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1940 als Kopfbedeckung für russische Soldaten eingeführt und war bis 2014 fester Bestandteil der Winterbekleidung der sowjetischen Armee. Während die Offiziersmützen aus echtem Pelz hergestellt wurden, mussten sich niedrigere Ränge mit einfacheren Materialien, wie sie auch in der gezeigten Mütze verarbeitet sind, begnügen.
Merkmale und Provenienz des vorliegenden Objekts bestätigen, dass es sich tatsächlich um eine originale „M1940“ Uschanka der Sowjetischen Armee aus dem Zweiten Weltkrieg handelt. Der markante rote Stern wurde von der vorderen Klappe entfernt.
Doch wie kam die Mütze nach Elmshorn?
Eine Elmshorner Familie im zweiten Weltkrieg
Die Geschichte der Mütze überschneidet sich mit der Geschichte des Elmshorners Ernst Kröger (25. Mai 1908 bis 15. August 1966) und dessen Familie. In einem Zeitungsartikel von Carsten Petersen erinnert sich seine Mutter Martha Kröger: „1940 wurde Vati eingezogen, da war ich drei Jahre alt. Er sollte für ein paar Wochen zur Übung. Neun Jahre sind daraus geworden.“
Ernst Kröger, damals Unteroffizier, geriet am 10. Juli 1944 bei Minsk in Kriegsgefangenenschaft. Die folgenden vier Jahre und acht Monate verbringt er in mehreren Arbeitslagern nahe Jekaterinenburg, fast 4000 Kilometer entfernt von seiner Familie. Fast zwei Jahre lang gilt er als vermisst und seine Frau Emma und die heranwachsende Tochter Martha erhalten erst 1946 erste Informationen zu seinem Verbleib.
Vorder- und Rückseite des Bescheides über den ungewissen Verbleib von Ernst Kröger, Januar 1945. Privatbesitz.
Eine filmreife Rückkehr
Wie Emma und Martha Kröger schließlich erfahren, dass der Mann bzw. der Vater noch lebt, könnte einem Hollywood-Drehbuch entnommen sein. Eines Tages hält ein Zug am Elmshorner Bahnhof und ein Mann ruft auf den Bahnsteig: „Ernst Kröger lebt! Ich heiße Junge und bin in Eppenwöhrden“. Zufälligerweise hat ein Nachbar der Familie Dienst auf dem Bahnsteig – er überbringt schließlich die Botschaft. Noch drei Jahre dauert es, bis Ernst Kröger selbst in Elmshorn einfährt. Mit improvisierter Kleidung und völlig abgemagert erkennt seine Tochter ihn kaum wieder.
Alles, was er besitzt, trägt er in einem Stoffbüddel mit sich – so auch die sowjetische Uschanka, unser Objekt des Monats.
Eine detaillierte Auflistung der Stationen, die Ernst Kröger als Kriegsgefangener durchlief. Privatbesitz
Quellen:
Carsten Petersen: „Es war eine wunderschöne Jugend“, in: Elmshorner Nachrichten, 25.4.2005, S.7
Carsten Petersen: „Der harte Weg aus der Diktatur in die Demokratie“ in: Schönes Schleswig-Holstein: Kultur-Geschichte-Natur, Sonderheft Elmshorn, 1998, S. 49