Die treue Schreibmaschine eines Wedeler Handwerkers – Das Objekt des Monats August 2021. Foto: Industriemuseum
Objekt des Monats August 2021 | Eine ganz besondere Schreibmaschine
von Sonja Degenhard
Modell: AEG Mignon Modell 4
Datierung: 1925/26
Material: Metall, Kunststoff, Gummi, Gusseisen, Holz
Maße: geschlossener Koffer Länge: 35cm, Tiefe: 33cm, Höhe: 21cm; Schreibmaschine Länge: 30,5cm, Tiefe: 23cm, Höhe: 17,5cm
Standort: Magazin
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fanden Schreibmaschinen immer mehr Anklang in den Büros großer Firmen. Während die erste Schreibmaschine aus deutscher Herstellung noch zehn Kilogramm wog, erlaubte der technische Fortschritt in den folgenden Jahren, die Maschinen kleiner und leichter werden zu lassen.
1903 brachte die Berliner Firma AEG das erste Modell ihrer „Mignon“-Zeiger-Schreibmaschinen auf den Markt. Der Ingenieur und Elektrotechniker Friedrich von Hefner-Alteneck konstruierte diese Schreibmaschine: Ein preiswertes Modell für den Gebrauch zu Hause und in kleineren Betrieben. Unser Objekt des Monats ist das vierte und letzte Modell der Mignon-Reihe. Es erschien 1924. Die nächste Version der AEG-Zeiger-Schreibmaschinen kam ab 1933 unter dem Namen Olympia „Plurotyp“ auf den Markt.
Auf den ersten Blick fällt bereits auf, dass die „Mignon“ keine gewöhnliche Schreibmaschine ist. Sie kommt ohne mechanische Tastatur aus. Stattdessen besitzt sie einen beweglichen Zeigestab. Er wird mit der linken Hand auf das Zeichenfeld geführt. Die Zeichen sind nach ihrer Häufigkeit angeordnet. An dem Zeigerstab ist eine Halterung für Daumen und Zeigefinger angebracht. Über ein Stangen- und Zahnradsystem wird die Zeigereinstellung (z.B. Buchstabe „E“) auf einen länglichen Kugelkopf übertragen. Die rechte Hand des*der Benutzer*in betätigt die Abdrucktaste, sodass der Kugelkopf auf die Typenwalze schlägt. Die Leertaste verschiebt die Walze weiter in Schreibrichtung, sodass das nächste Zeichen getippt werden kann. Mit der Rückholtaste kann die Walze einen Schritt zurückgezogen werden, um Korrekturen vorzunehmen.
Für die Mignon Modell 4 gab es über 36 verschiedene Typenwalzen, unter anderem auch mit kyrillischen Buchstaben. In der Schachtel mit Zubehör, die zusammen mit der Maschine ans Industriemuseum kam, liegen drei Walzen: Eine Walze druckt lateinische Kursiv-Buchstaben, eine weitere besitzt Buchstaben mit Serifen und die dritte enthält nur Großbuchstaben. Außerdem gehört zu der Maschine ein zweites Tableau (Buchstabenfeld), das für die Nutzung der Großbuchstaben-Walze vorgesehen ist. Pinsel, Bürste und Pfeifenreiniger aus Draht halten die Maschine instand. Durch den stabilen, mit einem Schlüssel einfach zu öffnenden Koffer ist sie äußerst mobil.
Ein Heizungsbauer und Schlossermeister aus Wedel schrieb ab 1925 jeden Sonntag die Rechnungen für seine Firma auf dieser Schreibmaschine. Seine Enkelin – die Spenderin dieses Objekts – sagt, sie habe heute noch den Klang der Tasten in den Ohren.