Auf den ersten Blick ist die Spannung groß – was verbirgt sich hinter diesem Ufo-förmigen Gegenstand? Rund, Weiß und Pink mit silbernem Firmenschriftzug auf der Frontseite. Alles ganz im Stil der 1950er Jahre. Die dazugehörige kunstlederne Handtasche in der Farbenkombination dunkelrot-weiß ließe sich auch in einem gut sortierten Retro-Designgeschäft vorfinden. Das Objekt des Monats Dezember befindet sich seit zehn Jahren im Sammlungsbestand des Industriemuseums Elmshorn. Hinter dem Ufo verbirgt sich ein Verkaufsschlager der 1950er Jahre: die Höhensonne „Soliput de luxe“ der Firma Original Hanau. Ein elektrischer Haushaltsartikel, der in Vergessenheit geriet und für das bessere Verständnis zum Glück mit einer Gebrauchsanleitung aufwartet. Gleich auf der ersten Seite erfährt der Käufer die unschlagbaren Vorteile, mit denen das Produkt vor 60 Jahren angepriesen wurde: „Sie gehören nun auch zu den glücklichen Besitzern einer ‚Höhensonne‘ und können jederzeit sonnenbaden, auch wenn draußen noch so unfreundliches Wetter herrscht.“ Daher auch der Name Soliput, der die lateinischen Vokabeln sol (Sonne) und lux (Licht) berücksichtigt.
Medizinisches Gerät oder strahlende Schönheit?
Die Soliput de luxe war jedoch keine Neuerfindung. Bevor die Kunstsonne als Heimsolarium genutzt wurde, diente sie einem anderen Zweck. Um 1900 erfand der Chefentwickler von Original Hanau die Quarzglas-Quecksilberlampe. Da Quarzglas ultraviolette und infrarote Strahlung durchlässt, erzeugte die Lampe bis dahin unbekanntes Licht. Eigentlich als Straßenlampe angedacht, nahm das UV-Licht auf Grund der therapeutischen Lichtquelle seinen Siegeszug zunächst in der Medizin. Da UV-Licht das lebensnotwendige Vitamin D bildet, gelang es mit der Bestrahlung durch ultraviolette Strahlen die „Armutskrankheit“ Rachitis prophylaktisch zu bekämpfen. In den 1920er Jahren behandelten die Ärzte kollektiv ganze Schulklassen mit UV-Licht, im Krankenhaus wurden bereits Säuglinge mit der Höhensonne bestrahlt. Sanatorien und Badeanstalten richteten spezielle Zimmer für die Bestrahlung ein. Gleichzeitig setzten die Ärzte die Lampe unter anderem zur Heilung von Hautkrankheiten, Entkeimung von Wunden und zur Behandlung bei Bluthochdruck ein.
Gesund und Attraktiv
Bis Ende des 19. Jahrhunderts galt die „vornehme Blässe“ als Schönheitsideal und damit als besonders erstrebenswert. Die gesellschaftliche Elite war nicht gezwungen, körperlicher Arbeit im Freien nachzugehen. Mit der Industrialisierung und Verstädterung setzte ein Umdenken ein. Der sonnengebräunte Körper signalisierte Gesundheit und Sportlichkeit. Dies machte in den 1950er Jahren aus dem medizinischen Gerät einen kosmetischen Konsumartikel. Die Höhensonne „strahlt noch viel mehr UV-Strahlen aus, als selbst die Hochgebirgssonne. Sie kommen also mit ganz kurzen Bestrahlungszeiten (1-2 Min.) aus und haben doch alle Vorteile, die Ihnen ein stundenlanges Sonnenbad vermittelt.“ Die modische Sonnenbräune eines Kurzurlaubes auf Mallorca war nun auch von zu Hause aus in wenigen Minuten erhältlich. „Wenn man aber besonders braun werden will, um schon äußerlich zu zeigen, wie gesund man sich fühlt, dann bestrahlt man öfters“.
Wärme als wesentlicher Heilfaktor
Weiterhin trumpften die Bräunungsstrahler zusätzlich mit ihrer sehr guten wärmetherapeutischen Wirkung durch die Infrarot-Funktion auf. „IR-Wärmestrahlen dringen unmittelbar in den Körper ein und erwärmen nicht nur – wie etwa ein Heizkissen – die oberen Hautschichten, sondern auch die darunterliegenden tieferen Hautschichten.“ Die Infrarotstrahlen sollten bei allen möglichen Krankheiten und Schmerzen helfen. Auch Sportlern wurde bei Sehnenzerrungen, Quetschungen und Schwellungen das Gerät empfohlen.
Risiken und Nebenwirkungen
Der Betrieb der Höhensonne war nicht ganz ungefährlich. Die UV-Bestrahlung bzw. das Infrarotlicht war nur mit Schutzbrille zulässig. Gleichzeitige Anwendung von schmerzunterdrückenden oder schmerzstillenden Mitteln wurde nicht empfohlen, da die „große Gefahr besteht, daß man während der Bestrahlung einschläft, oder aber, daß der Körper gegen die Hitzeeinwirkung gefühllos wird.“ Bei der Bräunungsfunktion musste darauf geachtet werden, dass das Gesicht während der Bestrahlung bewegt wird, „da sonst die vorspringenden Teile des Gesichtes, als vor allen Dingen die Nase, zuviel des Guten erhalten.“
Um das Gerät zu betreiben, war zunächst der weiße Deckel aufzuklappen. Im Innern des Oberteiles, ist mittig der Quarzbrenner angebracht, rechts und links davon sind die Stäbe, die das Infrarotlicht ausstrahlen. Bei Betrieb „leuchtet der Quarzbrenner blau auf und nach kurzer Zeit glühen auch die beiden stabförmigen IR-Strahler in dunkelrotem Licht. Dieses wird allerdings von dem Licht des Quarzbrenners überstrahlt“. Nachdem die Höhensonne mit der Steckdose verbunden war, IR oder UV ausgewählt und die Zeitschaltuhr aktiviert wurde, konnte es mit dem Bräunen oder Wärmen losgehen. Es sei denn, der Betrieb fand während der „Geschäftsstunden“ statt, was zu einer niedrigen Spannung oder Spannungsschwankungen führen konnte. Dann erlosch der Brenner während der Bestrahlung. Die Gebrauchsanleitung der Höhensonne „Alpina“ von Original Hanau empfiehlt in diesem Falle die Höhensonne „erst nach 17 Uhr einzuschalten, da dann erfahrungsgemäß die Versorgungsnetze nicht so stark belastet sind“.
Die Höhensonne unterm Tannebaum
Am ersten Weihnachtstag 1959 trat aufgrund des Feiertages vermutlich das Problem der Spannungsschwankungen nicht auf. Der stolze Besitzer konnte das Gerät in Betrieb nehmen. Gekauft wurde das Objekt nämlich noch kurz vor Ladenschluss am 24.12.1959 – vermutlich als Weihnachtsgeschenk. Die beiliegende und datierte Garantiekarte stellte der Verkäufer des Elmshorner Kolonialwarenladen Gebrüder Meyn (Damm 1) aus. Die oder der Beschenkte schien mit der Höhensonne glücklich gewesen zu sein – umgetauscht wurde diese jedenfalls nicht mehr und Gebrauchsspuren sind sichtbar.
Sollte der Januar grau sein und zufällig keine Höhensonne parat stehen, besuchen Sie uns am Samstag, 17. Januar im Industriemuseum Elmshorn von 10 bis 17 Uhr. Das Museum steht zum vierten Mal unter Dampf. Sammler und Experten von Dampfeisenbahnen bieten auf zwei Etagen ein buntes Programm für Sie.
Das Museumsteam wünscht Ihnen einen guten Rutsch und Start ins Neue Jahr 2015.
Inventarnummer: 2005-0022
Datierung: 1959
Material: Aluminium, Kunststoffe, Glas, Stahlblech, Quecksilber, Lackfarbe
Maße: 28 cm x 13/29 cm (d x h/geöffnet)
Hersteller: Quarzlampen Gesellschaft M.B.H., Hanau
Standort: Industriemuseum Elmshorn/Depot