Dampfend steht sie da – das stählerne Ungetüm auf dem Elmshorner Bahnhof mit dem Ziel Altona. Dazwischen reges Treiben, wie es sich für einen Bahnhof gehört. Alle Bediensteten sind herbeigeeilt, die Kinder klettern über Zaun und Baum. Die Kutsche in der rechten Bildhälfte wartet auf Anschlussfahrgäste nach Barmstedt. 1895 entstand diese Aufnahme und dokumentiert das Verkehrsmittel, das für die Bevölkerung und den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt wesentliche Standortvorteile mit sich brachte.
Elmshorn erhält Anschluss
Ab 1844 verband das bequeme und vor allem schnelle Verkehrsmittel Eisenbahn Altona und Kiel über Elmshorn. Die Eisenbahn brachte für die Bevölkerung ganz neue Reisemöglichkeiten und erhöhte die Mobilität erheblich. Plötzlich rückten mehrere Tagesreisen weit entfernte Orte in schnell erreichbare Nähe. Durch die eingesparte Reisezeit bei erschwinglichen Reisekosten erweiterte sich somit der Gesichtskreis weiter Teile der Bevölkerung. Die Schnelligkeit des neuen Verkehrsmittels brachte ganz neue Vorstellungen von Raum und Zeit mit sich.
Reisen – ab geht die Post
Der Transport von Personen und Gütern auf dem Landwege wurde vor dem Bau der Eisenbahn von privaten Fuhrleuten und durch die Post ausgeführt. Das Verkehrsaufkommen war gering, da große Teile der ländlichen Bevölkerung – bis etwa 1800 bedingt durch die Leibeigenschaft – nur selten ihre Wohnorte verließen. Außerdem war das Reisen auf den unbefestigten Wegen sehr beschwerlich, und die Fahrpreise waren teuer.
Mit dem Bau von Chausseen belebte sich der Verkehr, da sich die Reisezeiten verkürzten:
Laut einem Fahrplan von 1710 benötigte die Postkutsche von Hamburg nach Kiel 18 Stunden. Nach dem Bau der Chaussee Altona-Kiel betrug die Fahrzeit nur noch 9 Stunden.

Die kolorierte Postkarte „Elmshorn. Am Bahnhof“ zeigt die Ansicht des Bahnhofsgebäude vom Süden. Der rückseitige Stempel ist auf 1914 datiert.
Der Mythos Eisenbahn
Wie in ganz Deutschland wurde auch in Elmshorn die Eisenbahn nicht nur mit Begeisterung aufgenommen. Insbesondere die Frachtfuhrleute und Wirte fürchteten Ertragseinbußen. Auch die Geschäftsleute hatten Angst, dass die bessere Kundschaft nun ihre Einkäufe in Altona oder Hamburg machen würde. In diesen Diskussionen über die möglichen Folgen der Eisenbahn wird über diese wirtschaftlichen Aspekte hinaus das Ambivalenzgefühl der Menschen im 19. Jahrhundert deutlich. Technikgläubigkeit und eine optimistische Sicht auf die Zukunft standen einer Technikfeindschaft gegenüber. So riefen skeptische Schaulustige bei der Einweihung der Eisenbahnlinie 1844: „Ohne Peer ? Allens Lögens!“ Gegner der Eisenbahn fürchteten die neue Technik. Sie sahen die Lokomotiven nicht nur als feuergefährlich und ruhestörend an, sondern auch als lebensgefährlich für Menschen und Tiere.
Die Eisenbahn sorgte für Pünktlichkeit
Der Beginn der Eisenbahnära hatte auch Konsequenzen für die Zeitmessung. In Altona, Kiel und Elmshorn differierte die Zeit wie in anderen Orten auch um einige Minuten bis zu einer Viertelstunde. Diese unterschiedliche Zeitmessung lag einfach daran, dass keine einheitliche Vorgabe existierte. Die Uhren der jeweiligen Orte wurden nach dem Stand der Sonne justiert. Weil die Mobilität der Menschen noch gering war, waren diese Ortszeiten als Vorgabe lange ausreichend. Sogar innerhalb einer Stadt konnten mitunter die Uhren unterschiedlich schnell oder langsam laufen. Erst mit der Eisenbahn wurde es notwendig, die unterschiedlichen Ortszeiten zumindest für die Fahrpläne zu vereinheitlichen. Dies gelang mithilfe der Telegraphenlinie, die Zeit wurde für alle Bahnhöfe entlang der Strecke Kiel – Altona von der Hamburger Sternwarte aus verbindlich vorgegeben.
Die Uhr war und ist das wichtigste Element des Eisenbahnbetriebes, auf unserem Foto aus dem Jahr 1895 ist die Uhr unter dem Bahnhofsdach zu sehen, die Aufnahme entstand genau um 13.48 Uhr. Im Eisenbahndienst herrschte strenge Disziplin, um Pünktlichkeit und Ordnung zu gewährleisten. Trotzdem konnten die Aufenthaltszeiten in Elmshorn immerhin um 10 Minuten differieren. „Die Abfahrtszeit von allen Punkten ist durch das Auf- und Abladen bedingt und kann sich möglicherweise verzögern. Früher als oben angezeigt wird von den Stationen aber nicht abgefahren und von den Anhaltestellen dementsprechend.“ Die Organisation der Staatsbahnen war von Anfang an einem militärischen Reglement unterworfen, da nur ein exaktes Einhalten der Fahrpläne Sicherheit auf den Strecken gewährleistete. Die streng militärisch organisierte Hierarchie der Eisenbahn wird deutlich in den Uniformen, so sah zum Beispiel der Bahnhofsvorsteher wie ein General aus.
Inventarnummer: BA 2007-0035
Datierung: 1895
Material: Papier
Maße: 275 mm x 205 mm
Hersteller: W. R., Kiel
Standort: Industriemuseum Elmshorn/Archiv