Tornister der HJ und des BDM, der so genannte „Affe“
„Ich hab von der ganzen Zeit die Erinnerung, dass wir Macht in den Händen hatten.“ Mit diesen Worten beschreibt die Elmshornerin Almut Friedrich die Erinnerung an ihre Jugend während der Zeit des Nationalsozialismus. Das Gefühl, als Kinder wichtiger zu sein als die Erwachsenen, wurde nicht zuletzt durch die Aktivitäten der nationalsozialistischen Jugendorganisation Hitlerjugend (HJ) vermittelt. Zur Grundausrüstung ihrer Mitglieder gehörte der sogenannte „Affe“, ein mit Fell bezogener Tornister, in dem Jungen und Mädchen bei Wanderungen und Zeltlagern ihr Gepäck mit sich führten.
Kinder, die nach den rassistischen und antisemitischen Kategorien der Nationalsozialisten als „arisch“ galten, traten mit 10 Jahren in das Deutsche Jungvolk, bzw. den Jungmädelbund ein. Nach der Vollendung des 14. Lebensjahrs stiegen Jungen, bisher noch so genannte „Pimpfe“, in die HJ und Mädchen in die Teilorganisation der HJ, den Bund Deutscher Mädel (BDM), auf. Die Mitgliedschaft in einer der NS-Jugendorganisationen wurde per Gesetzeserlass vom 1. Dezember 1936 für alle Jungen und Mädchen verpflichtend.
Während die Mädchen spielerisch durch Singen, Basteln, Handarbeiten und Hauswirtschaften auf ein Leben als Hausfrau und Mutter vorbereitet wurden, lag der Schwerpunkt der Jungenorganisation auf der körperlichen Ertüchtigung. Bereits als „Pimpfe“ wurden die Jungen ideologisch und körperlich auf ihre künftige Laufbahn als Soldat vorbereitet. Die ideologische Schulung sollte aus den Kindern treue Gefolgsleute des nationalsozialistischen Regimes machen und die faschistische Weltanschauung an die folgende Generation weitertragen. Als Mittel dieses Zwecks dienten unter anderem Geländeübungen, an denen zunächst sowohl Jungen als auch Mädchen teilnahmen. Ein steter Begleiter bei Wanderungen und Zeltlagern war der so genannte „Affe“.
Mit dem Affen auf Wanderschaft – Erziehung zu Gehorsam, Krieg & Kampf
Das Objekt des Monats, ein Leinenrucksack, gehörte einem Jungen Namens Hermann, der seinen Namen und seine Adresse gleich zwei Mal von innen in seinen „Affen“ schrieb, um ihn zu kennzeichnen. Diese sorgfältige Beschriftung verdeutlicht den hohen Stellenwert, den der Rucksack für den Jungen besaß. Der „Affe“ war das Pendent zum militärischen Tornister der Wehrmachtssoldaten und diente den HJ-Mitgliedern als Rucksack bei Ausfahrten. Als dieser wurde er von seinem Besitzer gehegt und gepflegt.
Die Ausfahrten der HJ dienten nicht nur dazu, den Spieltrieb der Jungen und ihre Lust auf Abenteuer ausleben zu können, sondern sollten sie auf ihre Zeit im Kriegseinsatz vorbereiten. So wurden sie geschult, sich bei einem potentiellen Fliegerangriff in Deckung zu begeben oder sich bei der Ankunft von Panzern zu verkriechen. Stets dabei war auch bei solchen Geländeübungen der Tornister mit Fellbesatz. Begaben die Jungen sich auf den Weg in ein Wochenendlager, musste der Affe vorschriftsmäßig gepackt werden. So erinnert sich Karl-Heinz Kuhlemann daran, wie sein Vater ihm beibrachte, seine Wolldecke in der Art und Weise zu drehen, dass er wehrmachtsgetreu in den „Affen“ passte, damit er keinen Ärger mit den Anführern der HJ-Gruppierung bekam.
Als scheinbar unschuldiger Rucksack, der zu den Besitztümern vieler Jungen und Mädchen gehörte, erzählt der Affe heute die Geschichte davon, wie es den Nationalsozialisten möglich sein konnte, Kinder und Jugendliche zu Gehorsam, Krieg und Kampf zu erziehen. Zu sehen ist der „Affe“ in der neu eröffneten Dauerausstellung zum Thema „Nationalsozialismus in Elmshorn“ im 3. Obergeschoss des Industriemuseums.
Inventarnummer: 1990-0095
Datierung: 1930er Jahre
Material: Leder, Fell, Holz, Leinen, Gusseisen, Aluminium
Maße: H: 36 cm, B: cm, T: 7 cm
Standort: Dauerausstellung 3. OG, Industriemuseum Elmshorn