Die Wissenschaft des Düngens
Neben Sichte, Forke und Mistschneider mit ihren bedrohlich scharfen Schneiden und Zinken wirkt der schmale Erdbohrer an der Scheunenwand in der Dauerausstellung des Industriemuseums fast ein bisschen unscheinbar. Dennoch verweist gerade unser Objekt des Monats auf einen wesentlichen Aspekt der Modernisierung der Landwirtschaft um 1900. Neben immer mehr Maschinen setzten sich in dieser Zeit zunehmend auch wissenschaftliche Erkenntnisse im Agrarwesen durch. Vor allem der Einsatz von künstlichem Dünger trug mit zur rasanten Steigerung der Erträge in der Getreidewirtschaft bei.
Bodenproben und Kunstdünger
Mit dem Erdbohrer entnahmen Landwirte Bodenproben auf ihren Feldern. Diese schickten sie zur Analyse an das landwirtschaftliche Institut in Kiel. Je nach Befund erhielten sie konkrete Ratschläge zur Düngung ihres Ackerbodens. Maßgeblich dafür war ein entscheidender Durchbruch für die Wissenschaft des Düngens um die Mitte des 19. Jahrhunderts: Chemische Forschungen konnten nachweisen, dass Stickstoff-, Kalium- und Phosphorverbindungen hervorragende Eigenschaften als Düngemittel besitzen. Gelangen sie in den Boden, regen sie das Pflanzenwachstum enorm an. Als ein wegweisender Begründer dieser Agrochemie gilt der Chemiker Justus von Liebig (1803-1873). Auf Basis seiner Erkenntnisse löste die chemische Düngung allmählich die alleinige Düngung mit Stallmist ab. In der Folge steigerten sich die Getreideernten erheblich. Chemiker arbeiteten mit wachsendem Erfolg daran, die benötigten Stoffverbindungen künstlich im Labor herzustellen. Heute stehen chemische Kunstdünger jedoch vielfach in der Kritik, da sie die Umwelt stark belasten.
Getreideernte mit dem Mähbinder auf Hof Breckwoldt in Seestermühe, aufgenommen 1916.
Hof Breckwoldt in Seestermühe
Der Erdbohrer im Industriemuseum stammt vom Hof der Familie Breckwoldt in Seestermühe. Franz Hinrich Breckwoldt hatte die Hofstelle 1865 erworben und zur Großbauernstelle erweitert. Der Schwerpunkt lag auf dem Ackerbau. Sein Sohn Johann Christopher übernahm den Hof 1902 und trieb die Modernisierung des Betriebs voran. 1911 kaufte er sogar eine eigene fabrikneue Dampflokomobile für den Antrieb der Dreschmaschine. Weitere Maschinen wie Getreidemäher und Mähbinder folgten. Auch Johann Christophers Sohn Franz Dietrich Breckwoldt, der den Hof 1934 übernahm, begeisterte sich für Technik und landwirtschaftlichen Fortschritt. Er konzentrierte sich vor allem auf die Saatzucht mit Abnehmern in ganz Deutschland und den Obstanbau. Zeit seines Lebens war er jedoch nicht nur Landwirt, sondern sammelte auch historische landwirtschaftliche Geräte. Weit reichende Bekanntheit erlangte er vor allem als Kunstretter: Gut versteckt überstanden in seiner Scheune in Seestermühe 91 Bilder des Malers Emil Nolde den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg. 1983 erhielt er für sein vielseitiges Engagement in Kultur, Gesellschaft und Landwirtschaft das Bundesverdienstkreuz.
Das Industriemuseum widmet Franz Breckwoldt aktuell eine Sonderausstellung. In den 1980er Jahren überließ er dem Elmshorner Museum eine umfangreiche Sammlung ländlicher Geräte, die noch bis zum 26. März als „Schätze von Bauer Breckwoldt“ größtenteils erstmals gezeigt werden. Im Fokus stehen insbesondere alte Arbeitstechniken auf dem norddeutschen Land wie das Reepschlagen, Graben kleien oder Torfstechen. Mehr erfahren Sie in der Sonderausstellung im 2. Obergeschoss!
Inventarnummer: 1982-0002
Datierung: 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts
Material: Stahl
Maße: L 96,5 cm
Herkunft: Hof Breckwoldt, Seestermühe
Standort: Dauerausstellung, 1. OG, Industriemuseum Elmshorn