Holzkasten mit Saattüten
Der Frühling ist endlich da und mit ihm startet die Gartensaison. Wer jetzt sät, kann sich auf eine Blumenpracht und Gemüsevielfalt im Sommer freuen. Die Samen in den bunt bedruckten Tüten gibt es jetzt überall – neben Samenhandlungen und Gartenfachgeschäften locken inzwischen auch Discounter und Baumärkte zum Kauf der kleinen Tütchen. Übrigens mit erheblichen Preisunterschieden in unterschiedlich verpackten Sämereien, die aber größtenteils von ein und derselben Firma stammen. Was über Jahrtausende in der Geschichte der Menschheit eine Selbstverständlichkeit war, ist heute ein Problem: der freie Austausch und Handel von Saatgut. In den letzten zwanzig Jahren hat beim Saatguthandel ein großer Konzentrationsprozess stattgefunden.
Blicken wir zurück, wo wurde vor 100 Jahren Saat gekauft? Antwort gibt der schlichte Holzkasten im „Kolonialwarenladen“ des Industriemuseums Elmshorn. In den kleinen Schubladen ruht ein früher Schatz an Saattüten mit einer großen Vielfalt von Kürbis über Salat, Lauch, Karotten, Kerbel bis hin zu Tomaten. Auf der Rückseite finden wir genaue Anleitungen zum Aussaattermin, Standortempfehlung und Reihenabstand – übrigens in drei Sprachen: Deutsch, Englisch und Französisch. Einige Tüten haben keine farbigen Abbildungen sondern nur einen Aufdruck, der uns den Ladenbesitzer verrät: „Rob. P. Wehrmann. Kolonialwaren, Sämereien. Elmshorn, Friedrichstraße 21, Fernsprecher Nr. 533“.
Der ehemalige Kolonialwarenladen von Robert Wehrmann hat heute die Adresse Klostersande 21. Das Fachhallenhaus von 1764 ist eines der wenigen Häuser Elmshorns, die ein besonderes Kulturdenkmal nach § 5 des Denkmalschutzgesetzes sind. Bei der Familie Wehrmann bewirtschafteten die Frauen den kleinen Kolonialwarenladen, während die Ehemänner in der wärmeren Jahreszeit als Schiffer auf See unterwegs waren.
Beim „Höker“ kaufte ein kleiner Kreis fester Stammkunden. Dadurch bestand ein persönlicher Kontakt zwischen Käufern und Ladeninhabern. Ein lebhaftes Interesse an den privaten Sorgen oder Freuden war selbstverständlich und es gab auch die Zeit, sich darüber auszutauschen. Während die Waren einzeln gewogen und verpackt wurden, entwickelten sich Gespräche zwischen den Kunden und den Kaufleuten. Auf dem Tresen stand eine große Waage mit der die Ware nach Bedarf ausgewogen wurde. Die Schubläden waren gefüllt mit lose hineingeschüttetem Getreide, Zucker, Gries, Nudeln, Linsen, Graupen, Sago, getrockneten Erbsen, Bohnen oder eben auch Saatgut.
Je nach Größe wurden die Saatkörner gewogen, abgezählt oder per Hohlmaß abgefüllt. Ein ähnliches Einkaufsvergnügen bietet heute fast nur noch unser Buttermarkt – hier ist Saat auch noch lose erhältlich und die richtigen Pflanztipps gibt es gratis beim Kauf dazu.
Als Museum möchten wir dazu beitragen, dass ein Austausch über altes Gartenwissen und über die Sortenvielfalt früherer Jahrhunderte wieder in die Gärten kommt. Die Vermehrung und Züchtung alter Sorten sind ein wichtiger Beitrag zur Pflanzenvielfalt. Die Frauengeschichtswerkstatt Elmshorn am Industriemuseum plant für die Gartensaison 2014 ein Ausstellungsprojekt rund um den Garten. Wir suchen dafür Objekte, Fotografien sowie Unterlagen und freuen uns über Hinweise.