Foto: Industriemuseum
Objekt des Monats September 2022 | Segelmacherei-Werkzeuge
von Sonja Degenhard
Datierung: 1970er Jahre
Material: Holz, Eisen, Leder, Kordel, Kreide, tierisches Fett, Kork
Maße: Segelmacherhandschuh 16 cm breit und 4,5 cm hoch; Marlspieker mit Holzknauf 31 cm lang und 4,5 cm Durchmesser an der dicksten Stelle des Knaufs
Hersteller und Herstellungsort: unbekannt
Inventarnummer: 2022-0156
Werkzeug eines Elmshorner Segelmachers
Im Jahr 1975 ging der Elmshorner Segelmacher Herbert Rudolph (geb. 1912) nach 44 Berufsjahren in Rente. Als Dreijähriger war er mit seinen Eltern von seinem Geburtsort Preetz nach Elmshorn gekommen. Er hatte sein Handwerk von 1927 bis 1931 in Hamburg-Finkenwerder gelernt und arbeite dann bei der Marinewerft in Wilhelmshaven, bevor er wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges zum Arbeitsdient als Segelmacher in die französische Hafenstadt Brest geschickt wurde. In Brest musste er 1944 den Arbeitsdienst verlassen und wurde in die Wehrmacht eingezogen, um die Stadt zu verteidigen. Kurze Zeit später geriet er in Kriegsgefangenschaft. 1948 kam er nach Hamburg zurück, wo er nacheinander bei verschiedenen Segelmachereien arbeitete. Ab 1960 bis zu seiner Rente 1975 arbeitete Segelmacher Rudolph bei der noch heute bestehenden Elmshorner Segelmacherei Bohn.
Das Segelmacher*innen-Handwerk
Für die Anfertigung eines Segels wird viel Platz gebraucht. Die Werkstatt, wo Segel hergestellt werden, wird Segelmacherboden genannt, weil die Segeltücher auf dem Boden ausgebreitet werden. Mithilfe von Kreide zeichnen Segelmacher*innen die Form des Segels auf dem Tuch vor. Je nach Boot wird ein individuelles Schnittmuster genutzt. Früher bestanden Segel aus schwerem Baumwollstoff. Heute werden Segel oft aus Kunststoffen hergestellt, die leichter und strapazierfähiger als pflanzliche Textilien sind. Das Zusammennähen der Segelbahnen erfolgt nur in wenigen Arbeitsschritten per Hand. Meist kommen spezielle Nähmaschinen zum Zuge, die ebenerdig im Boden sitzen. Das moderne Segelmacher*innenhandwerk nutzt viele computergestützte Maschinen. Segel aus Kunststoff können statt genäht teilweise auch geschweißt oder miteinander verklebt werden.
Für das Segelmachen werden verschiedene Werkzeuge benötigt. Um die Hand bei der Näharbeit zu schützen, wird der sogenannte Segelmacherhandschuh angezogen. Er besteht aus dickem Leder und weist in der Handfläche eine stählerne Scheibe mit Vertiefungen auf. Die Scheibe schützt den Handballen der Segelmacher*innen, falls die scharfkantige Segelnadel beim Durchstechen des Tuchs abrutschen sollte. Außerdem können Segelmacher*innen mithilfe der Scheibe – gleich wie mit einem Fingerhut – viel Druck auf die Vorwärtsbewegung mit der Nadel ausüben.
Mit dem Marlspieker, der aussieht wie eine sehr dicke Nadel, werden zwei Tau-Enden miteinander verflochten, sodass zum Beispiel eine stabile Öse entsteht. Außerdem nutzen Segelmacher*innen einen Marlspieker zum Öffnen von Schäkeln. Das sind verschließbare Bügel, die unter anderem als Verbindungselemente zwischen verschiedenen Teilen der Takelage dienen. Der hölzerne Knauf verbessert die Handhabung des Werkzeugs.
Die Segelmacherbank: Eine bewegliche Werkstatt
Zum Nähen mit der Hand setzte sich Herbert Rudolph auf seine Segelmacherbank und nahm das Segel auf den Schoß. Auch nach dem Ende seiner Erwerbstätigkeit wollte Segelmacher Rudolph nicht damit aufhören, sein Handwerk auszuüben. Deshalb zimmerte er sich zu Hause eine eigene Segelmacherbank, zu der diese Werkzeuge gehören. Unter der Sitzfläche hängt eine Schublade, wo kleineres Werkzeug aufbewahrt wird. Größeres Werkzeug, das nicht in die Schublade passt, steckt in den Löchern an einem Ende der Bank.
In seiner Rente erledigte er immer noch kleine Arbeiten für sich und seine Familie. Zum Beispiel fertigte er Fahrradtaschen und Beutel an. Für sein Hobby, Schiffsmodelle zu bauen, stellte er ebenfalls die Segel her, denn die Qualität der Segel aus den Baukästen genügte dem Fachmann nicht.
Möchten Sie die Werkzeuge zum Segelmachen einmal im Original betrachten? Die Werkzeuge befinden sich in einer Vitrine im Erdgeschoss des Industriemuseums. Erleben Sie hautnah das Alltags- und Arbeitsleben in der Industriezeit Elmshorns.