Ein Spültisch zur Hochzeit
Als Margaretha Engelbrecht 1921 ihren Verlobten Leonard Berendsen heiratete, überreichten ihre Eltern dem jungen Paar ein ganz besonderes Geschenk: einen Küchentisch mit Spüleinrichtung. August und Cäcilie Engelbrecht, die Inhaber der Elmshorner Exportbrauerei, hatten ihn eigens bei einem Tischler und Klempner anfertigen lassen. Sie wollten damit ihrer Tochter die mühselige Arbeit des täglichen Abwaschs erleichtern.
Spül-, Ess- und Arbeitstisch in einem
Die Platte des Holztisches lässt sich aufklappen. Darunter befindet sich ein zweigeteiltes Becken aus Metall, das in den Tisch eingelassen ist. Das Spülwasser konnte direkt in das Becken gefüllt werden, musste allerdings hinterher wieder ausgeschöpft werden. Eine Abflussvorrichtung gab es nicht. Für den täglichen Abwasch wurde daher in der Regel eine Schüssel in das Becken gestellt, um darin das Geschirr zu spülen. Sie ließ sich anschließend einfach ausgießen.
Der Tisch diente jedoch nicht nur als Spüleinrichtung – zugeklappt stellte er mit seiner soliden Platte zugleich einen multifunktionalen Arbeitstisch dar. Auf ihm wurden Speisen und Backwaren zubereitet, Wäsche geglättet, Schnittmuster für das Nähen ausgeradelt und unter der Woche nutzte die Familie ihn auch als Esstisch für die Mahlzeiten.
Vom Spültisch zur Spülmaschine
Spültische wie der hier vorgestellte gehörten im 20. Jahrhundert noch lange zur Ausstattung zahlloser Küchen in Deutschland. Seit den 1930er Jahren verbreitete sich das Modell des Küchentisches mit unter der Platte eingebauten Spülschüsseln zum Herausziehen. Dies galt als praktische Lösung für den täglichen Abwasch. So manche Hausfrau schätzte ihren Spültisch auch noch aus anderen Gründen, wie eine Elmshornerin bekannte: „Wenn ich keine Lust zum Abwaschen habe, dann verstecke ich alles in der Schüssel unterm Tisch. Kleine Decke auf den Tisch – das muss sein – und alles ist ordentlich!“
Auch wenn mit den technischen Erfindungen um 1900 und der zunehmenden Stromversorgung seit dem Ersten Weltkrieg immer mehr elektrische Geräte in die Haushalte einzogen, so blieb doch das Spülen des Geschirrs noch über Jahrzehnte vorrangig Handarbeit. Während elektrische Bügeleisen, Staubsauger, Kühlschrank, Elektroherd und selbst die Waschmaschine spätestens seit den 1960er Jahren zu immer erschwinglicheren Massenwaren wurden, konnten sich Spülmaschinen lange nicht durchsetzen. Bereits 1886 hatte die Amerikanerin Josephine Cochran – als erste Frau – ein Patent auf eine motorisierte Spülmaschine erhalten. Nach deren Muster wurden 1893 auf der Weltausstellung in Chicago die ersten Prototypen vorgestellt. 1929 brachte die Firma Miele in Deutschland den ersten elektrischen Geschirrspüler auf den Markt. Dennoch besaßen 1973 erst sieben Prozent der deutschen Haushalte überhaupt eine Spülmaschine. Die Geräte waren teuer und galten als entbehrliches Luxusgut. Auch heute besitzt rund ein Drittel aller Haushalte keine Spülmaschine.
Unser Objekt des Monats blieb knapp 70 Jahre in Gebrauch und steht heute in der Dauerausstellung des Industriemuseums. Der Spültisch bildet einen wesentlichen Bestandteil der inszenierten Wohnküche der 1920er Jahre im 2. Obergeschoss.
Inventarnummer: 1990-0066
Datierung: 1921
Material: Holz, Metall
Maße: L 100 cm, B 74 cm, H 77 cm
Hersteller: Maßanfertigung für Familie Engelbrecht/Berendsen, Elmshorn
Standort: Industriemuseum Elmshorn, Dauerausstellung, 2. OG