Regenhaube im Etui
Klein, dunkelblau und unscheinbar kommt dieses Einstecketui aus Kunststoff daher. Doch wie bei den meisten Museumsdingen kann es uns einige Geschichten erzählen.
In dem Etui befindet sich eine sogenannte Regenschutzhaube aus einer dünnen, durchsichtigen Plastikfolie. Derartige Regenschutzhauben dienten überwiegend der weiblichen Bevölkerung zum Schutz ihrer Frisuren. Heutzutage sieht man sie nur noch selten in der Anwendung. Die Blütezeit der Regenschutzhauben fällt in die 1950er und frühen 1960er Jahre. In dieser Zeit ging der allergrößte Teil der Frauen wegen Dauerwellen und Wasserwellen in den Frisiersalon – und da Dauerwellen damals nach dem Waschen wieder in Form gelegt werden mussten, gingen auch viele Frauen zum Haare waschen in den Friseursalon. Dementsprechend bedeutete ein unerwarteter Regenschauer für viele Frauen eine verdorbene Frisur und einen Friseurbesuch. Erst seit den 1970er Jahren gibt es ein Dauerwellverfahren bei dem die Haare nach dem Waschen nur an der Luft getrocknet werden müssen, um sich von selbst in die richtige Form zu legen.
Die faltbare und leichte Regenhaube im schmalen Etui für die Handtasche war also ein durchaus praktischer Gegenstand und vermutlich auch ein gern genommenes kleines Werbegeschenk. Das eingeprägte Emblem in der Mitte des Etuis ist ein Hinweis auf die Herkunft der Regenhaube. Vor einem turmähnlichen Gebäude liegt ein Segelschiff, darunter steht die Jahreszahl 1820. Bei dem „Turm“ handelt es sich natürlich um das alte Fabrikgebäude der Elmshorner Köllnflocken Werke. Das 1820 gegründete Unternehmen Peter Kölln KGaA ließ vor allem in den 1950er bis 1970er Jahren verschiedene Werbegeschenke für seine Kunden herstellen.
Diese Geschenke sind nicht direkt mit den heutzutage üblichen Streuartikeln wie Kugelschreiber oder Fruchtgummitütchen zu vergleichen. Vielmehr handelt es sich um Aufmerksamkeiten für Geschäftspartner und Großkunden, für Angestellte anderer Unternehmen mit Schlüsselpositionen, wie zum Beispiel Werkstattleiter und so weiter. Außerdem wurden häufig die Handelsvertreter mit einem Sortiment an Werbegeschenken auf die Reise geschickt. Klassiker des damaligen Werbegeschenkgeschäftes waren beispielsweise Jahreskalender, Schreibmappen oder Taschenmesser. Wie und wann man diese Werbegeschenke am Besten bestellte und verteilte und vor allem wer wen beschenken durfte – diese Fragen wurden in dem 1959 erschienenen Buch „Das Werbegeschenk in Industrie und Handel. Werbeplan – Einkauf – Technische Fragen – Bezugsquellen“ von Karl-Heinz Lippold geklärt. Selbiger Autor äußert sich in seinem Buch auch über die sogenannten „Damengeschenke“, zu denen man auch unsere Regenhaube im Kunststoffetui zählt.
„Manchem Vertreter einer Werbegeschenkfirma wird entgegenhalten, daß das von ihm besuchte Unternehmen keine Damenkundschaft habe. Vor allen Dingen machen Firmen der Schwerindustrie, aber auch Baufirmen diesen Einwand. Sie vergessen wahrscheinlich, daß ihre Kunden meist eine ganz einflussreiche Sekretärin haben. Aber auch sonst dürfte dieses Argument nicht ganz stichhaltig sein. Jeder Geschäftsfreund freut sich, wenn er gelegentlich auch seiner Frau ein nettes Geschenk mitbringen kann. […] Zu den ausgesprochenen Damenartikeln gehören elegante kleine Brieftaschen, Geldbörsen, auch Damenschirme, Einkaufsnetze, Manicure-Etuis, Puderdosen, Parfüms, Regenhauben, Reisebügeleisen, Platzdecken und Servietten, Strumpftaschen, Schalen jeder Art, Vasen, Schals, Scheren- und Nähetuis, Schmuckdosen, Taschentücher, Tischdecken usw.“
Einige dieser aufgelisteten „Damenartikel“ finden sich auch in dem Sortiment von Werbegeschenken der Firma Peter Kölln, die das Industriemuseum Elmshorn in seiner Sammlung hat, wider. Für den Werbezweck entscheidend war dabei immer die sichtbare aber unaufdringliche Anbringung des Firmenschriftzuges. In den meisten Fällen wählte die Firma eine sogenannte Blindprägung (ohne Farbe) auf dem Geschenk oder auf dem Etui, in dem sich das eigentliche Geschenk befand.
Ein Hersteller solcher Taschen und Etuis, auch des vorliegenden Etuis, war das ebenfalls in Elmshorn ansässige Unternehmen Max Steier GmbH & Co. KG, auch bekannt als Steier-Plastik. Wie das ursprünglich auf den Handel von Lebensmittelgrundstoffen spezialisierte Unternehmen zu einem Produzenten von Artikeln aus Kunststoff-Folie wurde, erfahren Sie ab dem 16. September in der Sonderausstellung „Plastic World. Design und Alltagskultur 1967-1973“. Neben überwiegend runden und orangefarbenen Designklassikern und Alltagsgegenständen aus Kunststoff können Sie hier im „lokalen Fenster“ mehr zur Geschichte und zu den Produkten des vor 75 Jahren gegründeten Unternehmens erfahren.
Inventar-Nummer: 2011-0030-9
Datierung: 1950er-1960er Jahre
Maße: 5,5 x 9,5 cm
Material: Kunststoff-Folie