„Da gab es noch alles lose“: Einkaufen im Kolonialwarenladen
Menschen eilen durch Gänge mit systematisch sortierten Warenregalen, beladen ihre Einkaufswagen mit fertig verpackten Produkten in vorgegebenen Mengen und zahlen an einer von mehreren Kassen bequem per Karte. So sieht der Lebensmitteleinkauf heute nicht nur in Elmshorn überwiegend aus. Rationalisiert, schnell und weitgehend anonym schleusen Discounter und Supermärkte pro Tag tausende Kunden und Kundinnen durch. Das war nicht immer so: In den 1920er Jahren gab es in Elmshorn über 100 Kolonialwaren- und Krämerläden, die die Menschen in ihrer Nachbarschaft mit Lebensmitteln und Alltagsbedarf versorgten. Sie waren darüber hinaus wichtige Gesprächsplattformen. In den kleinen „Tante Emma-Läden“ herrschte ein fester persönlicher Kontakt, Neuigkeiten wurden ausgetauscht, private Sorgen und Freuden geteilt.
Vielfältiges Angebot
Ein Zeugnis dieser Einkaufskultur ist der Kolonialwarenladen in der Dauerausstellung des Industriemuseums. Die gezeigte Inneneinrichtung mit Tresen und Verkaufsschrank von 1898 stammt aus dem Kolonialwarenladen der Familie Möller, der sich an der Ecke Gärtnerstraße / Gerhardstraße befand. Auch die gezeigten Produkte, vornehmlich aus den 1920er Jahren, sind aus dem Möllerschen Laden. Der überwiegende Teil der Waren wurde lose angeboten und individuell von Hand durch die Kaufleute abgefüllt. Zum Abmessen der gewünschten Mengen diente die Waage auf dem Verkaufstresen.
In Glaskästen präsentierten die Kaufleute neben Genussmitteln wie Kaffee, Tee und Süßigkeiten auch Butter, Käse und Wurstwaren. In den Schubladen warteten loses Getreide, Zucker, Nudeln, Linsen, Erbsen oder Graupen auf die Kundschaft. Essig und Senf lagerten in Steingutgefäßen. Vor dem Tresen ergänzten Säcke mit Kartoffeln, Kisten mit Obst und Gemüse und Fässer mit Heringen oder Sauerkraut das Angebot. Zusätzlich wurden in diesen Läden auch Wasch- und Putzmittel, Haushaltsutensilien, Eisen- und Papierwaren, Geschirr und teilweise sogar Schuhe und Kleidung verkauft. Verpackt wurden die eingekauften Waren in Papiertüten, Schachteln oder Zeitungspapier. Wer passendes Münzgeld dabei hatte, konnte dieses direkt in den Kassenschlitz im Verkaufstresen werfen.
Der Kolonialwarenladen Möller in Elmshorn um 1910.
Das Ende der Kolonialwarenläden
Im Gegensatz zu den Krämerläden holten die Kolonialwarenläden darüber hinaus den Luxus ferner Länder nach Elmshorn: Sie boten auch Waren aus Übersee an wie zum Beispiel Kaffee, Tee, Kakao oder Gewürze. Die Bezeichnung dieser Läden ist damit untrennbar verknüpft mit dem Zeitalter der Kolonien, das in Deutschland seinen Höhepunkt erst im Kaiserreich erreichte. Auch Heinrich Möller gründete sein Geschäft in dieser Zeit: 1875 eröffnete er seinen Kolonialwarenladen zunächst in Glückstadt, bevor 1898 der Umzug nach Elmshorn erfolgte. Vor dem Laden stand einer der ersten Warenautomaten in Elmshorn überhaupt. Der Betrieb blieb über Jahrzehnte im Familienbesitz. Der Sohn Willi Möller weitete in den 1920er Jahren den Großhandel aus und mietete weitere Räumlichkeiten in der Catharinenstraße im Gebäude des heutigen Industriemuseums an.
Die allmähliche Durchsetzung der Supermärkte mit Selbstbedienung seit den 1950er Jahren läutete jedoch auch in Elmshorn das Ende der kleinen Gemischtwarenläden ein. Familie Möller baute ihren Laden 1960 zum Selbstbedienungsmarkt um und schloss sich der Edeka-Gruppe an, bevor sie 1988 den Ladenbetrieb aufgab. Die Bezeichnung „Kolonialwaren“ verlor sich zunehmend aus dem Sprachgebrauch. Heute erinnert noch der Name des 1898 gegründeten Einzelhandelsverbandes Edeka an ihre Geschichte – ausgeschrieben lautet er „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin“ (kurz E. d. K.).
Die letzten Inhaber des Kolonialwarenladens Möller, das Ehepaar Paul und Elke Möller, spendeten dem Industriemuseum nicht nur die historische Inneneinrichtung ihres Geschäftes. Die Museumssammlung verdankt ihnen zahllose weitere Schätze, die aus Elmshorns Geschichte für die Zukunft bewahrt werden können.
Inventarnummer: 1990-0338
Datierung: 1898
Material: Holz, Metall, Glas, Textilien, Papier, Steingut
Maße: L 3,30 m, T 1,90 m, H 2,40 m
Herkunft: Kolonialwarenladen Möller, Ecke Gärtnerstraße / Gerhardstraße, Elmshorn
Standort: Dauerausstellung, 2. OG, Industriemuseum Elmshorn