Gemälde von Alois Riebl: Garten des Hauses Marktstraße 16
Autorin: Sonja Degenhard
Datierung: 1927
Material: Holz, Aquarellpapier, Aquarellfarben, Bleistift, Glas
Maße: 44,5 cm lang, 53 cm breit, 2,4 cm tief
Künstler: Alois Riebl
Herstellungsort: Elmshorn
Inventarnummer: 2023-0152
Ein Mustermaler im hohen Norden
Alois Riebl wurde 1875 geboren. Während seine Familie weiterhin in der Stadt Gengenbach im Schwarzwald (Baden-Württemberg) lebte, arbeitete er in Elmshorn bei der Firma C. & E. Carstens als Keramikmaler. Seine Muster-Entwürfe wurden von den Kolleg*innen im Akkord auf viele tausende Geschirrstücke aus Steingut gemalt. Das fertige Geschirr wurde größtenteils für den Export verpackt und in verschiedene europäische Länder, aber auch bis nach Afrika und Südamerika verkauft. Im Volksmund hieß die Firma „Pott-Carstens“. Sie existierte von 1907 bis 1938 am Krückau-Ufer, wo heute der Pott-Carstens-Platz unweit der Käpten-Jürs-Brücke liegt. Da Elmshorn zuvor kein traditioneller Standort der Steingut- und Porzellanindustrie gewesen war, mussten am Anfang viele Facharbeiter*innen angeworben werden. Unter ihnen war auch Alois Riebl.
Riebl fertigte viele verschiedene Motive für „Pott-Carstens“ an. Von seinen Kolleg*innen wurde er als Spezialist geschätzt. Einige Kolleg*innen und befreundete Familien bestellten bei ihm auch Einzelstücke, zum Beispiel als Geschenke für Hochzeiten oder Geburtstage. Jedoch war Riebls künstlerisches Schaffen nicht auf das Medium Steingut beschränkt. Er malte auch Gemälde, vermutlich besonders nachdem „Pott-Carstens“ im Jahr 1938 die Produktion aufgab und bis 1970 nur noch als Großhandel weiterexistierte. Eine Zeitzeugin erzählt, dass Riebl ein freundlicher und ruhiger Mann war. Bis ins hohe Alter nahm er Aufträge für Gemälde an. Und wie schon als Steingutmaler fertigte er neben den gewinnbringenden Auftragsarbeiten auch für Freund*innen Gemälde als Geschenke an.
Riebl und die Familie Gewers
Im August 1927 malte Alois Riebl den Hinterhof mit Garten des Hauses Marktstraße 16, wo heute das Stadtarchiv Elmshorn zu finden ist. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten 300 Menschen bei „Pott-Carstens“, doch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verschlechterte sich zusehends. Vermutlich baute sich Riebl bereits neben der Arbeit bei „Pott-Carstens“ ein zweites Standbein als Kunstmaler auf. Über seinen Vermieter Johannes Boldt, einem Bruder von Adolf Boldt (Königstraße) und von Maria Gewers, geb. Boldt, kam Riebl mit der Kaufmannsfamilie Gewers in Kontakt. Seit 1904 befand sich der Kolonialwarenladen Gewers in der Marktstraße 16. In der Nachkriegszeit bestand die Nachbarschaft unter anderem aus der Spedition Mohr und den Mühlenbetrieben Harms und Kröger. Herbert Gewers, der spätere Stifter des Hauses Marktstraße 16, erinnert sich an eine gute Nachbarschaft, die sich gegenseitig half und auch zusammen feierte. Jede*r kannte jede*n. Vor dem Abriss und Neubau des Hauses im Jahr 1979 besaß das Grundstück den auf dem Gemälde zu sehenden Garten. Das Haus Marktstraße 16 war der letzte Altbau an der Nordseite der 1975 eingerichteten Fußgängerzone. Das neue Haus sah Alois Riebl nicht mehr; er starb 1972 im Alter von 97 Jahren in Elmshorn.
Der*die Betrachtende blickt aus dem Esszimmer hinaus in den üppig blühenden Garten. Vorn im Beet wachsen Margeriten und Hortensien, dahinter ein Fliederbusch. Im Schuppen am linken Bildrand verbergen sich sowohl eine Tauben- als auch eine Sittichvoliere, außerdem ein großer Schuppen u.a. mit mehreren Hühnern, die über den grünen Steg in den Auslauf gelangten. Während der Kriegszeit wurden hier vorübergehend auch zwei Schweine gemästet. Vorn im Schuppen befinden sich eine Toilette mit Waschküche, die morgens um fünf Uhr mit Kohle aufgeheizt werden musste. Das rote Gebäude im Hintergrund gehörte zur Spedition Mohr. Der „Gewers-Weg“ führte damals am Nutzgarten mit Birnbaum und Kartoffelbeet vorbei von der Schulstraße zur Marktstraße. Rechts im Bild befindet sich ein Durchgang zum benachbarten Blumenladen Dehnke.
Das Ehepaar Gewers entschloss sich im Jahr 2019, das Haus Marktstraße 16 an die Bürgerstiftung Elmshorn zu stiften, mit der Bedingung, dass das Stadtarchiv im Erdgeschoss einzog. Dies ist geschehen: Seit 2021 bewohnt das Stadtarchiv – zuvor ansässig in der Weißen Villa in der Schulstraße 36 – seine neuen Räumlichkeiten. Der Stifter Herbert Gewers vermutet, dass Alois Riebl für das Gemälde mit einem reichhaltigen Mittagessen von Großmutter Maria Gewers entlohnt wurde. Das Gemälde hing jahrelang bei der Familie Gewers im Treppenhaus und ging im März 2023 als Schenkung in die Sammlung des Industriemuseums ein.
Möchten Sie das Gemälde einmal im Original betrachten? Es befindet sich im 1. OG des Industriemuseums Elmshorn.