Foto: Industriemuseum
Objekt des Monats März 2022 | Das patentierte Tele-ABC von H. C. Lange
von Sonja Degenhard
Datierung: um 1930
Material: Bakelit
Maße: 9,5 cm lang, 17,5 cm breit, 2,8 cm tief
Hersteller und Herstellungsort: H. C. Lange, Elmshorn
Inventarnummer: 1990-0181
Kein gewöhnliches Adressbuch
Besitzen Sie noch ein Adressbuch aus Papier? Oder sind all Ihre Kontakte schon digital auf ihrem Handy oder Smartphone hinterlegt? Im Jahr 1930, als das öffentliche Fernsprech-Festnetz in Deutschland knapp 50 Jahre alt war, gab es rund 3,2 Millionen Telefonanschlüsse im Land. Das heißt, nur rund jede*r zwanzigste Einwohner*in Deutschlands besaß einen Telefonanschluss. Ein*e Sekretär*in, der*die alle Telefonnummern der Geschäftspartner*innen griffbereit haben wollte, schaffte sich trotzdem am besten ein Adressbuch an – oder ein Tele-ABC.
Beim Tele-ABC handelt es sich um einen Kasten aus schwarzem Bakelit. Bakelit war der erste industriell hergestellte Kunststoff. Der Deckel und das Unterteil werden mit einem Federmechanismus zusammengehalten, der nicht mehr ganz zuverlässig schließt. Ein weißer Schieberegler zeigt auf eine Leiste mit weißen Buchstaben von A bis Z sowie auf ein dem Alphabet vorangestellten Ausrufezeichen, das zur Adresskarte „Wichtige Telefon-Nummern“ führt. Auf der Oberseite des Deckels befindet sich über der Buchstabenleiste ein rechteckiger Rahmen, der möglicherweise zum Einkleben einer Karte diente, auf welcher der*die Besitzer*in verzeichnet war. Darauf deuten Klebereste hin. Drei von vier Kunststoff-Füßchen, die das Verrutschen auf der Schreibtischoberfläche verhindern sollen, fehlen auf der Unterseite des Geräts.
Das Tele-ABC funktioniert wie folgt: Sucht man nach einer Adresse, die mit dem Buchstaben E beginnt, wählt der weiße Schieberegler das Buchstaben-Paar „E/F“. Für die Anfangsbuchstaben „S“, „Sch“ und „St“ gibt es eigene Wahlmöglichkeiten. Im Inneren des Geräts gleitet die Rückseite des Schiebereglers an den Pappkarten entlang. Je weiter hinter der Buchstabe im Alphabet ist, desto länger ist die Aussparung an der unten Kante der Pappkarte – ähnlich wie bei einem gewöhnlichen Adressbuch. Der Schieberegler hält dabei alle Karten einschließlich der ausgewählten fest. Das Drücken des weißen, länglichen Knopfes lässt den Deckel des Geräts durch einen Federmechanismus aufspringen und erlaubt den Blick auf die beiden Pappkarten von E und F, wobei die obere Buchstabenkarte des Paares im Deckel liegt und der untere im Unterteil. Ist die gewünschte Telefonnummer herausgesucht, wird der Deckel wieder geschlossen. Die Feder rastet ein, sodass das Gerät geschlossen bleibt. Auf diesem Wege sind Telefonnummern rasch auffindbar, ohne dass der*die Benutzer*in blättern muss. Allerdings ist für jeden Buchstaben nur eine Karte vorgesehen, sodass der Platz zum Notieren von Nummern begrenzt ist.
Die Telefonnummern von zwei Firmen, mit denen H. C. Lange wahrscheinlich einen Werbevertrag hatte, sind bereits unter dem Buchstaben B eingetragen: Die Druckerei „H. Beucke und Söhne“ aus Dissen im Teutoburger Wald (existiert seit 1757, heute als Beucke Group) und die Ölmühle „Friedrich H. Bressmer“ aus Hamburg (existiert seit 1919, heute als Bressmer & Francke).
Über den Elmshorner Erfinder Hans Christian Lange ist leider nicht mehr viel bekannt. Seine Firma stellte unter anderem Diaprojektoren, Rechenschieber und Belichtungsmesser her. Die auf der Inventarkarte des Tele-ABCs verzeichnete Bemerkung „Patent“ lässt vermuten, dass das Tele-ABC möglicherweise patentiert war. Auf alten Werbeplakaten sind die Adressen Albert-Schweitzer-Straße 12 bzw. Langestraße 8 (heute Bussardweg) als Firmensitz eingetragen. Da die Werbeplakate noch die zweistellige Postleitzahl 22 für Elmshorn tragen, stammen sie aus der Zeit vor 1961.
Wer weiß noch etwas über H. C. Lange und kann es uns erzählen? Wir freuen uns über Geschichten und Erinnerungen über den Elmshorner Erfinder und seine Produkte.
Möchten Sie das Tele-ABC einmal im Original betrachten? Es befindet sich im neugestalteten Erdgeschoss des Industriemuseums, in einer Vitrine zum Thema Büroarbeit. Erleben Sie hautnah das Alltags- und Arbeiter*innenleben in der Industrialisierung Elmshorns.