Schmuckstücke für die gute Stube im Miniaturformat
„Brautleuten empfehle ich die gefällige Besichtigung meiner riesigen Auswahl in Mobilien aller Art“, warb der Elmshorner Tischler Hermann Dorbandt in einer Anzeige am 18.02.1910 in den „Elmshorner Nachrichten“. Insbesondere pries er „Salon-Einrichtungen in neuesten Formen“ sowie „Garnituren in aparten Bezügen“ an. Vergleichbare Stubenmöbel im Miniaturformat stellen im Juli das Objekt des Monats aus dem Industriemuseum Elmshorn dar. Das Ensemble aus dem Betrieb Dorbandt besteht aus fünf Teilen: einem Sofa, zwei Sesseln, einer Standuhr und einem Buffetschrank.
Alle Möbel sind äußerst aufwändig und detailreich aus Sperrholz hergestellt. Sofa und Sessel sind mit schwarz-weiß diagonal gestreiftem Cordsamt bezogen. Der Buffetschrank besteht aus einem Unterschrank mit zwei Türen und Zierleisten sowie einem wellenartig geschwungenen Aufsatz mit zwei Türen und halbrunden Kunststoffscheiben. Die Standuhr verfügt über ein per Hand beschriftetes Ziffernblatt aus Pappe, während Zeiger und Pendel mit Goldfolie beklebt sind. Zusammen bilden sie ein kunstfertiges Möbelensemble, das die „gute Stube“ schmücken sollte. Die geringe Größe legt dabei zunächst nahe, dass es sich um Puppenmöbel handelt. Einige Hinweise sprechen jedoch auch für eine ganz andere Verwendung: nämlich als Musterstücke, die als Modelle im handlichen Format den Kunden der Tischlerei gezeigt werden konnten. Hierauf deuten zum Beispiel die aufwändige und qualitativ hochwertige Verarbeitung sowie der sehr gute Zustand der Möbel hin.
Aus der Elmshorner Tischlerei Dorbandt
Angefertigt wurden die kleinen Möbel vermutlich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in der Elmshorner Tischlerei Dorbandt, die als Familienunternehmen bereits 1866 gegründet wurde. Hermann Dorbandt sen. leitete die Werkstatt am Mühlendamm 6, wie 1910 auch in der Anzeige in den „Elmshorner Nachrichten“ angegeben ist. Sein Sohn Hermann Dorbandt jun. führte laut Elmshorner Adressbuch wiederum seine Werkstatt zwischen 1911 und 1926 in der Peterstraße 10. Dort lässt sich 1926 auch dessen eigener Sohn Gotthard Dorbandt als Geselle nachweisen.
Um die Jahrhundertwende waren die Elmshorner Tischlereien Kleinbetriebe, in denen trotz der auch in diesem Handwerk spürbaren Folgen der Industrialisierung weiterhin die Handarbeit dominierte. Maschinen waren teure Anschaffungen, so dass in vielen kleineren Werkstätten erst nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend Bandsäge, Kreissäge, Abrichter und Fräse eingesetzt wurden. Mit der industriellen Massenproduktion in Möbelfabriken entstanden jedoch zugleich überregionale Konkurrenten für die lokalen Handwerksbetriebe. Einige Elmshorner Tischler fertigten ebenfalls Möbel auf Vorrat und legten Lager an. In der Regel produzierten sie jedoch auf Bestellung nach den Wünschen der Kunden. Besonders in den bürgerlichen Schichten blieben handwerklich gefertigte Möbel auf Grund ihres Repräsentationswertes weiterhin sehr geschätzt.
Das Industriemuseum baut um
Die Auswirkungen der Industrialisierung auf traditionelle Handwerke wie das Tischlerwesen zeigt das Industriemuseum in seiner Dauerausstellung in der Abteilung „Wandel von Produktion und Verkehr in der Industriezeit“ im 1. Obergeschoss. Um die Themen dieser Etage weiterhin attraktiv und auf dem aktuellen Stand präsentieren zu können, wird das 1. Obergeschoss in diesem Jahr modernisiert. Es bleibt daher voraussichtlich von Mitte September bis Ende November für Besucherinnen und Besucher geschlossen. Anschließend können bewährte Themen und Objekte, aber auch neu erarbeitete Bereiche und Exponate im umgestalteten Stockwerk (wieder)entdeckt werden. Unter anderem wird künftig ein verstärktes Augenmerk auf die Blütezeit des Elmshorner Hafens um 1910 gelegt. Im Zuge dieser Erneuerung des 1. Obergeschosses sucht das Industriemuseum noch nach weiteren Quellen und Objekten, zum Beispiel nach Modellen eines Ewers und eines Dampfschleppers der EDAG mit Schuten oder einer Dampflokomobile samt Dreschmaschine.
Inventarnummer: 2010-0111
Datierung: 1. Drittel des 20. Jhs.
Material: Sperrholz, Cordsamt, Pappe, Goldfolie, Kunststoff
Maße: Sofa (8×12,5×4,5cm); Sessel (7,5x5x5cm); Standuhr (17x5x3,5cm);
Buffetschrank (16×15,5x6cm)
Hersteller: Tischlerei Dorbandt, Elmshorn
Standort: Konrad-Struve-Haus